Regierungsbericht zur Kindergesundheit: vier Milliarden Euro für die Kitas

© Pexels/Yan Krukau
2. März 2023
Ein von Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Familienministerin Lisa Paus präsentierter interministerieller Bericht zur Kindergesundheit sucht Lösungen für eine erschreckende Entwicklung: 73 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland fühlen sich Studien zufolge durch die multiplen gesellschaftlichen Krisen psychisch belastet. Zu den fünf im Bericht identifizierten Handlungsfeldern gehören die Kitas, die 2023 und 2024 mit 4 Milliarden Euro unterstützt werden sollen. Diese Mittel sollen u.a. in den Kita-Ausbau und eine Fachkräftestrategie sowie in Maßnahmen für Gesundheit, Ernährung und Bewegung fließen.
Besonders interessant für die Arbeit der Stiftung „Achtung!Kinderseele“ ist eine Erkenntnis der interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA) zur untergeordneten Rolle, die die psychische Gesundheit in vielen Kitas spielt. Der Bericht fasst sie so zusammen: „Psychische Gesundheit ist das Gesundheitsthema, das laut einer sozialwissenschaftlichen Befragung von 2020* mit weitem Abstand am wenigsten in Kindertageseinrichtungen angesprochen wird: Während andere Gesundheitsthemen in höchstens zehn Prozent der Kitas nie thematisiert werden, sind es bei psychischer Gesundheit 40 Prozent. Die IMA ist der Ansicht, dass es wichtig ist, dieses wichtige Thema in geeigneter Form in die frühkindliche Gesundheitsbildung zu integrieren. Der Umgang mit Gefühlen wie Angst und Traurigkeit, aber auch Freude und Spaß, das Erleben von Konflikten wie auch von Freundschaft, Zusammenhalt und Gemeinschaft, gehören zum Alltag in der Kindertagesbetreuung. Aus solchem Erleben und Erfahren lassen sich altersgerechte Bezüge zum Thema psychische Gesundheit herstellen und in die frühkindliche Bildung integrieren. Auch hierfür ist eine entsprechende Aus- und Fortbildung der Fachkräfte angezeigt.“
Katharina Schiebold, Leiterin der Stiftung „Achtung!Kinderseele“ kommentiert: „Der Bericht bestätigt, dass wir mit unserem Kita-Patenprogramm genau auf dem richtigen Weg sind. Seit 2009 arbeiten wir daran, Kita-Leitungen und Erzieher:innen über psychische Gesundheit aufzuklären. Unsere ehrenamtlichen Kita-Pat:innen aus der Fachärzteschaft machen sie auf klassische Symptome aufmerksam und klären sie darüber auf, was sie tun und an wen sie sich wenden können, wenn Kita-Kinder sich auffällig verhalten.“
Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie, die sich ehrenamtlich als Kita-Pat:innen engagieren, aber auch Kita- und Träger-übergreifende Web-Seminare anbieten, haben mit ihrer Arbeit allein 2022 rund 600 Erziehende geschult und mittelbar über 10.000 Kinder erreicht. Ein besonderer Fokus liegt seit 2018 auf dem Programm „Wir sind EINS!“, das, gefördert durch die Deutsche Postcode Lotterie, besonders die Unterstützung von Kindern mit Migrationserfahrung oder Fluchthintergrund in den Fokus nimmt, die ein höheres Risiko tragen, psychische Probleme zu entwickeln.
Mit Dr. Gundolf Berg und Prof. Dr. Michael Kölch engagieren sich zwei der am Bericht beteiligten Expert:innen aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie im Vorstand der Stiftung „Achtung!Kinderseele“ und unterstützen die Mitarbeiter:innen konkret bei der Weiterentwicklung der Programme .
Die vier anderen Handlungsfelder, die der Regierungsbericht aufführt, sind Frühe Hilfen, Schule, Gesundheitswesen und Jugend- und Familienhilfe. Weitere Informationen zu den geplanten Maßnahmen finden Sie in der Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums. Den gesamten 45-seitigen Bericht können Sie hier lesen oder als PDF herunterladen.
*Deutsches Jugendinstitut, ERiK-Surveys 2020: Befragung pädagogisches Personal, Fragetext: Wie häufig thematisieren Sie mit Kindern in Ihrer Einrichtung folgende Gesundheitsthemen?
Weitere Neuigkeiten aus unserer Arbeit
22. Mai 2023
Studie: Junge Menschen durch aktuelle Krisen am stärksten belastet
Laut der halbjährlich durchgeführten Trendstudie "Jugend in Deutschland" leiden 46 Prozent aller 14- bis 29-Jährigen unter Stress, bei den 50- bis 69-Jährigen sind es mit 20 Prozent deutlich weniger. Auch fühlen sich mehr junge als alte Menschen erschöpft (35 Prozent im Vergleich zu 25 Prozent). Selbstzweifel plagen 33 Prozent der Jungen im Vergleich zu 11 Prozent der älteren. Der Anteil an jungen Menschen, die unter Hilflosigkeit (14 Prozent) und Suizidgedanken (6 Prozent) leiden, ist seit Herbst 2022 leicht gesunken, liegt aber immer noch höher als vor der Pandemie.
19. April 2023
Aus drei mach sechs: neue Module für unser E-Learning-Programm
Das E-Learning-Programm der Stiftung „Achtung!Kinderseele“ ist ein niedrigschwelliges Angebot zur psychischen Gesundheit insbesondere für Auszubildende. Drei neue Storys zu den Problemfeldern Zwänge, Essstörungen und Aggressionen ergänzen die schon 2022 gelaunchten Storys zu Mobbing, Arbeitsüberlastung und Zukunftsangst. Die multimedial aufgebauten Module erlauben es Auszubildenden, sich spielerisch mit konkreten Problemen auseinandersetzen und Lösungsmöglichkeiten und Anlaufstellen zu finden.
3. April 2023
Wenn Kinder schwere Straftaten begehen: Experten-Interview
Der Mord von zwei 12- und 13-jährigen Mädchen an einer Klassenkameradin im nordrhein-westfälischen Freudenberg hat viele Menschen erschüttert und Fragen nach den Ursachen und Folgen einer solchen Tat aufgeworfen. Wir haben darüber mit Prof. Dr. Frank Häßler gesprochen. Er ist ambulant tätiger Kinder- und Jugendpsychiater im MVZ der GGP Gruppe in Rostock und verfasst forensische Gutachten für Gerichtsprozesse. Gemeinsam mit Martina Dudeck und Norbert Nedopil hat er das „Praxishandbuch Forensische Psychiatrie: Grundlagen, Begutachtung, Interventionen im Erwachsenen-, Jugendlichen- und Kindesalter“ herausgegeben. Prof. Häßler ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der Stiftung „Achtung!Kinderseele“.