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Thema: Bipolare Störung

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Bipolare Störung

Die bipolare Störung war früher als manisch-depressive Krankheit bekannt und ist von extremen Stimmungs-schwankungen gekennzeichnet. Sie wurde lange als reine Erwachsenenkrankheit angesehen. Heute weiß man, dass auch Jugendliche manische und depressive Episoden erleben können. Insbesondere die manischen Phasen gestalten sich bei ihnen in der Regel jedoch anders als bei Erwachsenen.
 

Die Diagnose der bipolaren Störung bei Kindern und Jugendlichen ist schwierig: Die Symptome von ADHS und bipolarer Störung ähneln sich, sodass eine sichere Diagnose bei Kindern nahezu ausgeschlossen ist und auch so gut wie nie gestellt wird. Auch bei Teenagern ist es nicht leicht, eine bipolare Störung sicher zu diagnostizieren, da starke Stimmungsschwankungen eine normale Begleiterscheinung der Pubertät sind und es schwer zu bestimmen ist, wann der Normalbereich verlassen wird und eine behandlungs-bedürftige bipolare Störung vorliegt.

Eine amerikanische Studie, die auf ausführlichen Interviews mit mehr als 10.000 Jugendlichen beruht, kam zu dem Ergebnis, dass 2,5% der befragten Jugendlichen bereits sowohl eine manische als auch eine depressive Phase durchlaufen haben. Die Zahl der betroffenen Jugendlichen steigt mit zunehmendem Alter deutlich. So wurden die Symptome bei 1,4% der 13- bis 14-Jährigen, aber bei fast 2,8% der 17- bis
18-Jährigen erkannt. Beinahe jeder fünfte Teenager mit manisch-depressiven Zügen hatte bereits einen Selbstmordversuch hinter sich. Dies zeigt, wie stark die bipolare Störung das Leben von betroffenen Jugendlichen beeinträchtigen kann.

Appell an jugendliche Leser:innen

Wenn du dich antriebs- und hoffnungslos fühlst und keinen Sinn mehr im Leben siehst, hole dir unbedingt so schnell wie möglich Hilfe! Sprich deine Eltern oder deinen Kinderarzt an oder wende dich an eine der am Ende dieses Textes aufge-führten Hotlines. Die Welt ist nicht so schwarz wie sie dir im Moment erscheint und eine depressive Episode kann gut behandelt werden.
 

Wenn du schon eine depressive Episode erlebt hast und nun feststellst, dass du viel mehr Antrieb und Energie hast als je zuvor, dass du kaum Schlaf brauchst und hohe Risiken ein-gehst, aber gleichzeitig reizbar, empfindlich und unkonzen-triert bist, such dir ebenfalls Hilfe, bevor eine mögliche hypomane oder manische Episode aus dem Ruder läuft.

"Vollkommen drüber": Manische Phasen

Bei Erwachsenen sind manische Phasen in der Regel durch ein extremes Hochgefühl, Euphorie, Selbstüberschätzung und schier unendliche Energie gekennzeichnet. Betroffene brauchen kaum Schlaf und fühlen sich trotzdem topfit, manche wirken auf ihre Umwelt außerordentlich charisma-tisch. Maniker gehen in einem Gefühl der Unverwundbar-keit hohe Risiken ein und werfen mit Geld nur so um sich, kaufen zum Beispiel mehrere Autos, die sie gar nicht brau-chen, obwohl sie ein durchschnittliches Einkommen haben. 

 

In ihrem übersteigerten Selbstbewusstsein können sich Betroffene vollkommen egoman verhalten und dadurch Freundschafts-, Liebes- und familiäre Beziehungen strapazieren oder zerstören. Das Fehlen von Hemmungen, eine stark gesteigerte, wahllos ausgelebte Libido und uncharakteristischer Drogenkonsum können dazu beitragen, dass Beziehungen extrem strapaziert werden. Auch psychotische Symptome wie Größenwahn und Allmachtsgefühle können auftreten, selten werden auch Stimmen gehört.

 

Betroffene fühlen sich während der manischen Episode meist hervorragend und haben deshalb kein Interesse daran, auf ein Ende hinzuarbeiten. Selbst ein Jobverlust oder das Ende einer Beziehung werfen sie in dieser Phase nicht aus der Bahn, weil sie sich ohnehin zu Höherem berufen fühlen.

Bei Jugendlichen dominieren statt des emotionalen Hochgefühls in der manischen Phase dagegen häufig eine stark gesteigerte Aktivität, Reizbarkeit und emotionale LabilitätSchlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und erhöhte Ablenkbarkeit gehören ebenfalls zur Symptomatik und erschweren die Abgrenzung vom Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom ADHS.

Eine hohe Risikobereitschaft als Folge von Selbstüber-schätzung kann, wie bei erwachsenen Betroffenen, zu (lebens)gefährlichen Situationen führen. Der Krankheits-verlauf bei Jugendlichen fluktuiert stärker als bei Erwach-senen, das so genannte „ultra rapid cycling“ mit Episoden, die nur wenige Tage anhalten, tritt häufiger auf. Auch Mischzustände, in denen depressive und manische Symptome gleichzeitig auftreten, sind bei Jugendlichen häufiger als bei Erwachsenen.

Ganz schön drüber: Hypomane Phasen

Bei einer leichteren Form der bipolaren Störung kommt es im Wechsel mit depressiven Phasen zu einer abgeschwächten Form der Manie, der Hypomanie. Auch hier sind bei Erwachsenen Selbstwertgefühl und Antrieb deutlich gesteigert, bei Jugendlichen können Reizbarkeit und Ruppigkeit dominieren. Hypomane Phasen sind aber nicht so schwer, dass sie das soziale oder berufliche Leben sehr stark beeinträchtigen und es sind keine psychotischen Symptome vorhanden.

 

Total am Boden: Depressive Phasen

Wenn Menschen mit bipolarer Störung nach einer manischen Phase irgendwann doch wieder auf dem Boden der Tatsachen aufschlagen, sitzen sie im schlimmsten Fall vor einem riesigen Scherbenhaufen, finanziell, persönlich und teilweise auch gesundheitlich, weil sie sich vollkommen ausgepowert haben. Das kann direkt in die nächste depressive Episode führen, die gefühlsmäßig das komplette Gegenteil der manischen Phase ist. Betroffene leiden, wie unipolar Depressive, unter Verzweiflung, innerer Leere, Gefühlstaubheit, Antriebslosigkeit, Schwäche, Hoffnungs-losigkeit, Konzentrations- und Denkschwierigkeiten, nagender Scham und Suizidgedanken. Schwer Depressive sind oft überzeugt, für ihre Mitmenschen nichts als eine Belastung zu sein und bilden sich ein, dass sie diese durch einen Suizid entlasten würden. Die Suizidrate ist bei kaum einer anderen psychischen Krankheit so hoch wie bei der bipolaren Störung, insbesondere wenn Substanz-Abhängigkeiten hinzukommen, was nicht selten der Fall ist.

Gleichwohl können Betroffene auch lange Perioden ohne Symptome erleben und die Krankheit weitgehend in den Griff bekommen, wenn sie psychotherapeutisch bzw. psychosozial unterstützt  werden und medikamentös gut eingestellt sind. Der großen Mehrheit gelingt dies, wie man auch an den weiter unten genannten Prominenten sieht, die mit einer bipolaren Störung leben.

Phasenprophylaxe

Zwischen ihren depressiven oder manischen Phasen sind betroffene Menschen affektiv nicht gestört oder beein-trächtigt. Sie können ein ganz normales Leben führen und berufliche Erfolge erzielen. Die Verlängerung der gesunden Phasen bzw. die Verhinderung weiterer depressiver oder manischer Phasen durch Psychoedukation, Therapie und spezielle Medikamente gehört integral zur Behandlung der bipolaren Störung. Das Fachwort dafür ist Phasen-prophylaxe.

Ursachen für die Störung

Wie bei vielen psychischen Krankheiten gilt eine Kombination von genetischen Faktoren und psychosozialen Einflüssen als maßgeblich für die Entstehung einer bipolaren Störung. Je größer und lang anhaltender der psychische Stress, den ein genetisch prädisponierter Mensch erlebt, desto höher das Risiko, dass die Erkrankung sich manifestiert. Die einzelnen Phasen werden, stark vereinfacht gesagt, von einem zu viel (Manie) oder zu wenig (Depression) an Botenstoffen im Gehirn unterhalten.

Bei bipolar Erkrankten gerät die Regulation dieser Botenstoffe immer wieder aus dem Gleichgewicht.

Gegensteuern ist möglich

Manche Erkrankte, die schon mehrere Episoden durchlitten haben, können den Beginn einer manischen Phase spüren und sie durch konsequente Reizvermeidung und schnelle Anpassung der Medikation abwenden. Auch depressive Phasen lassen sich im besten Falle noch aufhalten, wenn auf erste Anzeichen eine schnelle und konsequente Reaktion erfolgt.

Typischer Verlauf bei Jugendlichen

Bei einer Studie mit Kindern von bipolar Erkrankten erlebten fast alle Proband:innen, die später ebenfalls die Diagnose bipolare Störung erhielten, als erste Episode eine leichte oder mittelschwere Depression. Manische Symptome entwickelten sich im Durchschnitt drei Jahre nach der ersten depressiven Episode und traten in allen Fällen erst nach dem 14. Lebensjahr auf.

Behandlung

In der Behandlung bipolarer Erkrankungen sind bei Jugendlichen wie bei Erwachsenen drei Phasen zu unterscheiden: die Behandlung der depressiven Phase, die Behandlung der manischen Phase und die Phasenprophylaxe zur Verhinderung weiterer Episoden in symptomfreien Perioden.

Behandlung der depressiven Phase

Die depressive Phase wird, wie bei der unipolaren Depres-sion, mit Psychotherapie und Antidepressiva behandelt, wobei stark darauf geachtet wird, dass die Dosierung der Medikamente so gewählt wird, dass keine manische Phase ausgelöst wird. Jede depressive Episode, so quälend sie auch sein mag, endet irgendwann. Mit einer adäquaten Behandlung endet sie normalerweise deutlich schneller.

Schwere depressive Episoden können bei Jugendlichen wie Erwachsenen eine stationäre Behandlung erfordern. In der Klinik kann die Medikation besser angepasst werden, es gibt einen geregelten, aktivierenden Tagesablauf mit künstlerischen, sportlichen und psychotherapeutischen Angeboten und auch der Austausch mit anderen Betroffenen wird von vielen Patient:innen als aufbauend empfunden. Es gibt keinen vernünftigen Grund, einen Klinikaufenthalt hinauszuzögern oder abzulehnen, wenn man in einer quälenden depressiven Phase feststeckt. Die meisten stationären Aufenthalte bei einer mittleren oder schweren depressiven Phase dauern mindestens sechs Wochen.

Behandlung der manischen Phase

Auch in der manischen Phase der bipolaren Störung kann eine stationäre Behandlung notwendig sein, die wegen der mangelnden Krankheitseinsicht aber oft nicht erfolgt. Bei äußerst risikoreichem Verhalten und/oder psychotischem Erleben kann bei Jugendlichen auf Antrag der Eltern eine Zwangseinweisung angeordnet werden, die vorrangig dem Selbstschutz dient.

Neben der Einnahme von Medikamenten, die eine sedierende und antipsychotische Wirkung haben (Neuroleptika), ist die Abschirmung vor Reizen essentiell, damit sich das übererregte Gehirn beruhigen kann. Ziel der Behandlung ist das Erreichen von Krankheitseinsicht und die Regulierung der Emotionen, des Antriebs und des Schlaf-Wach-Rhythmus. Um eine erneute Reizüberflutung zu vermeiden, werden Betroffene nach dem Abklingen einer manischen Phase oft langsam und stufenweise wieder in Schule, Ausbildung oder Beruf eingegliedert.

Betroffene Prominente

Die bipolare Störung in der Kunst

Die bipolare Störung ist noch immer stark stigmatisiert, insbesondere im Gegensatz zur Depression. Trotzdem haben sich in den letzten Jahren immer mehr Prominente dazu bekannt, dass sie mit dieser Krankheit leben. Dazu gehören Demi Lovato, Russell Brand, Ashley Judd, Ben Stiller, Mel Gibson und Catherine Zeta Jones.
 

In Deutschland haben u.a. die Schauspielerin Barbara Dussler, das Model Tessa Bergmeier und der Autor Thomas Melle öffentlich darüber gesprochen, dass sie von einer bipolaren Störung betroffen sind. Barbara Dussler gibt in ihrem mehrteiligen Podcast Mackenbaracke tiefe Einblicke in ihr eigenes Erleben der Krankheit und spricht mit verschiedenen Expert:innen über die Störung, ihre Folgen und ihre Behandlung. Wer sich für die bipolare Störung interessiert, kann hier auf unterhaltsame Art viel lernen.

 

Die bipolare Störung wurde schon in der Antike beschrieben und übt aufgrund der Extreme, die Erkrankte durchleben, eine große Faszination auf Kunstschaffende aus. Wer sich mit der Krankheit näher beschäftigen möchte, könnte zum Beispiel mit den folgenden Filmen, Serien oder Büchern anfangen:

Spielfilme

-      „Liebe Amelie“ (D, 2005) mit Marie Kwiatkowsky als
17-jährigem Mädchen, das nach einem Umzug vom Land nach München zuerst depressiv und dann manisch wird, worauf ihre Eltern (Gabriela Maria Schmeide, Oliver Stokowski) sehr unterschiedlich reagieren

-      „Mr. Jones“ (USA, 1993) mit Richard Gere als bipolar Erkranktem, der in der Psychiatrie eine verbotene Beziehung zu seiner Ärztin (Linda Olin) eingeht.
-      „Silver Linings“ (USA, 2012) mit Bradley Cooper als bipolar Erkranktem, der sich auf eine komplizierte Freundschaft mit einer emotional instabilen Frau (Jennifer Lawrence) einlässt.

TV-Serien

-      „Spinning Out“ (USA, 2020) mit Kaya Scodelario als
21-jähriger Eiskunst-Läuferin, die ihre bipolare Störung auf dem Weg zu Olympia zu verbergen versucht. 10 Teile, Netflix

-      „Lady Dynamite“ (USA, 2016-17) mit Maria Bamford als Stand-up Comedian mit bipolarer Störung, basierend auf ihrer eigenen Geschichte. 20 Teile, Netflix

Bücher

-      Sebastian Schlösser: „Lieber Matz, dein Papa hat ne Meise“, Rowohlt 2012. Der erfolgreiche Theaterregisseur Sebastian Schlösser landet aufgrund seiner bipolaren Störung in der Psychiatrie – und schreibt seinem Sohn Briefe, um ihm zu erklären, was passiert ist.

-      Kay Redfield Jamison: „Meine ruhelose Seele: Die Geschichte einer bipolaren Störung“, mvg Verlag 2014.
Die Autorin ist Professorin der Psychiatrie und selbst von der bipolaren Störung betroffen. So gelingt es ihr, die Krankheit gleichzeitig aus der Innensicht und aus der Außensicht zu beschreiben.

Informationen und Beratung

Nummer gegen Kummer, speziell für Kinder und Jugend-liche: Unter 116 111 beraten die Mitarbeiter anonym und kostenlos – immer montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr.

[U25] Deutschland  Beratungsangebot speziell für Kinder und Jugendliche mit Suizidgedanken

JugendNotmail  Beratungen per E-Mail, im Gruppenchat und in offenen Foren

 

https://dgbs.de/ Deutsche Gesellschaft für bipolare Störungen e.V.

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